




Wort zum Tage, 15.12.2014
von Pfarrer Christoph Seidl, Regensburg
Wenn Leben und Tod zusammenfallen
Nur noch wenige Tage bis Weihnachten, dem großen Fest der Geburt. Die Vorbereitungen gehen dem Höhepunkt entgegen. Könnten Sie sich vorstellen, das Fest jetzt noch abzusagen? Unvorstellbar! Aber wenn die Geburt nicht mehr gefeiert werden könnte?
In der niederbayerischen Stadt Landshut an der Isar gibt es in diesen vorweihnachtlichen Tagen in der Kirche St. Jodok Gegensätze zu sehen, die nachdenklich stimmen. In der Oberkirche steht eine große Krippe, die sich der Zeit entsprechend verändert und auf das Geschehen von Weihnachten vorbereitet. Unten jedoch, in der Krypta, trägt eine berührende Ausstellung den Titel: „Wenn Leben und Tod zusammenfallen“. Es geht um fehl- und totgeborene Kinder und ihre Familien. Am Beispiel der kleinen Sophie, die zu klein und zu krank zum Leben war, werden Hoffen und Bangen um das werdende Leben sowie der Umgang mit Trauer und Schmerz in bewegenden Bildern und Gegenständen dargestellt: ein kleines „Moseskörbchen“, Kleidung für die Bestattung, Kerzen und Spielsachen zum Schmuck der Grabstelle.
Dieser Gegensatz ist nicht leicht zu ertragen. In der Vorbereitungszeit sagte jemand: Unsere Stadt ist nicht der richtige Ort für eine solche Ausstellung. Und dennoch liegt im Leben manchmal beides eng nebeneinander: Freude auf und über die Geburt eines Kindes – und der unsägliche Schmerz, wenn es nicht sein kann.
Ich denke persönlich an den kleinen Simon, dessen Herz nur wenige Tage vor der erwarteten Geburt völlig unerwartet aufgehört hat zu schlagen. Ich erinnere mich gut an den Tsunami der Gefühle, die vor gut zehn Jahren wellenartig über die Eltern hereinbrachen. Ich weiß, dass es für sie seither Tage im Jahr gibt, die immer wieder schwer zu ertragen sind – Weihnachten gehört dazu. Aber es gibt im Advent auch einen Tag, der, so schwer er ist, ihnen unsagbar gut tut. Gestern, am zweiten Sonntag im Dezember, war der Tag des „Worldwide Candle Lighting“ - des weltweiten Kerzenleuchtens. Die Eltern von Simon zündeten zusammen mit unzähligen anderen Eltern um 19 Uhr eine Kerze für ihr verstorbenes Kind an und stellten sie - von außen sichtbar - an ein Fenster. Durch die stündliche Verschiebung in den unterschiedlichen Zeitzonen ergibt sich bildlich eine Lichterwelle, die in 24 Stunden einmal um die ganze Erde wandert. Der Gedanke hinter dieser Idee: Das Licht möge den Kindern, die nur kurz oder gar nicht zum Leben gekommen sind, dennoch für immer leuchten.
So gegensätzlich Krippe und Ausstellung in St. Jodok auf den ersten Blick scheinen: das Licht von Betlehem verbindet alle Menschen und alle Kinder auf der Welt – die lebenden und die verstorbenen.
Über den Autor Pfarrer Christoph Seidl

seidl@seelsorge-pflege.de
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